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Mit Konsum die Welt fairändern

Christine Hofmann von HARBURG21 erzählt von ihrem Erlebnis im Weltladen Harburg

Innenansicht einer Regalwand (Foto ch)Pünktlich um 9.30 Uhr schließt Birgit Podendorf für uns die Tür des kleinen Weltladens in der Julius-Ludowieg-Straße auf. Sie steuert durch den heimelig anmutenden Verkaufsraum zum einzigen Hinterzimmer, das gleichzeitig als Sozialraum, Büro und Lager dient. Während Birgit als Chefin, bei der „die Fäden zusammenlaufen“, wie sie selbst von sich sagt, den Tag im Büro vorbereitet, schaue ich mir das Sortiment an. Obwohl räumlich beschränkt, bietet der Laden eine bunte Vielfalt an Produkten in angenehmer Atmosphäre an. Es gibt Lebensmittel, hochwertige Gebrauchsgegenstände, Schmuck und Kunsthandwerk aus anderen Kulturkreisen. So findet sich in den gut sortierten Regalen ordentlich aufgereiht Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze, Süßigkeiten, Säfte, Öle, Honig, Linsen, Couscous, Bohnen, Reis, Pesto ebenso wie Fingerspielzeug, Tücher, Rhythmusinstrumente, Lederwaren, Schmuck, lustige Uhren, Weine, Kerzen, Tassen, Bilderrahmen, Teetücher, Schürzen, Fotokarten, CDs und vieles mehr.

Gemeinsam ist diesen Waren, dass sie aus Fairem Handel stammen. Das bedeutet, dass sie unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt und zu Preisen gehandelt werden, die ihren Erzeugern eine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Der Handel ist sozialverträglich im Herstellungs- und Vermarktungsprozess, und die Importeure, Fair-Handels-Organisationen wie die GEPA, El Puente, dwp oder BanaFair e.V., helfen möglichst vielen Kleinbauern in der Dritten Welt dabei, auf den biologischen Anbau umzustellen. Deshalb sind mindestens 70 % der im Weltladen angebotenen Produkte Biowaren. Vertriebspartner ist die GEPA.

Birgit gibt mir eine Broschüre vom Forum Fairer Handel. Darin steht folgende internationale Definition für Faires Handeln: „Der Faire Handel ist eine Handelspartnerschaft, die nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter leistet der Faire Handel einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung.“

Bettina Radke (Foto ch)Dann kommt Bettina Radke ins Geschäft. Sie ist eine von 15 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die sich den Ladendienst von montags bis samstags teilen. Die ehemalige Lehrerin schildert, dass manche die Weltladenbetreiber immer noch als Spinner abtun. Dabei sind die Gründe, sich für den Fairen Handel einzusetzen, hochgradig ethisch, so die beiden Frauen. "Es reicht die Anschauung, andere nicht ausbeuten zu wollen", so ihre einstimmige Meinung. „Das ist überparteilich und überkonfessionell. Alle können sich für Gerechtigkeit im Welthandel einsetzen. Man muss sich nur dafür entscheiden."

Dabei ruht der Weltladengedanke auf drei Säulen. Wichtig ist der Verkauf, aber ebenso die Bildungsarbeit, die zum Beispiel in Schulen geschieht, bei den eigenen Mitarbeitern oder in Konfirmandengruppen. Lehrer können etwa Materialien ausleihen, und es gibt „Globales Lernen“ auf dem Lehrplan mancher Schulen. Dritte Säule ist die politische Kampagnenarbeit mit dem Ziel, Strukturen des Welthandels gerechter zu gestalten. „Wichtig ist zu verstehen, wie das eigene Konsumverhalten die Welt zum Guten oder zum Schlechten zu verändern ist“, sagt Birgit. Das Bewusstsein, ein Teil einer umfassenderen Bewegung für nachhaltigen Konsum zu sein, müsse entwickelt und gestärkt werden.

Es ist 10.00 Uhr. Bettina öffnet das Geschäft. Wie üblich bleibt der große Ansturm aus. Es wird eher gekleckert als geklotzt. Eine Kundin findet sich ein. Üblich sind zehn bis siebzehn Kunden pro Tag. An diesem Freitag kommen nur Frauen. Eine weitere interessante Beobachtung, die ich mache.  Dass mehr Leute kommen, ist schon eine deutliche Verbesserung zu früher, erfahre ich. Während meines halbtägigen Besuchs kommen fünf Kundinnen. Mit Bettina und mir kaufen sechs Personen ein, Bettina Wein, Öl, Kaffee, Mandelriegel, ich Pesto im Angebot. Die anderen Kundinnen kaufen Tee, Kakao, Schoko, Zucker, Seife, Schmuck und Schlüsseletui.

Tee, Obst, Schokolade und Süßgkeiten aus dem Fairen Handel (Foto ch)Zwischendurch haben wir zum Teil schwer zu schleppen. Um 12.00 Uhr entlädt der Lieferant die bestellte Ware auf den Bürgersteig. Birgit ist schon weg. Bettina und ich schaffen 27 unterschiedliche Produkte ins Geschäft, darunter Honiggläser und Getränkekartons. Im Laden prüfen wir zusammen den Wareneingang und danach preise ich die Ware nach Bettinas Anweisungen aus. Das ist ihr sehr wichtig. Alles muss gepflegt wirken, um einen gut sortierten Eindruck bei den Kunden zu hinterlassen. Ich schaue auf das große Bild einer schwarzen Plantagenarbeiterin in roter Robe gegenüber von der Kasse, die durch die Felder der roten Kaffeekirschen streift, beladen mit je einem Sack der Früchte an jeder Hand. Das Plakat erinnert an den Ursprung der Ware und des Handels.

Alles begann in der St. Johanniskirche in Harburg im Jahr 1996/97. Birgit stieß bereits 1998 zum Weltladen hinzu, als kaum ein Mensch den Laden in der Kirche fand. Erst vor zweieinhalb Jahren mieteten die Betreiber die Verkaufsfläche an in der Julius-Ludowieg-Straße und verwandelten den Weltladen in ein selbstständig geführtes Einzelhandelsgeschäft. Der Vorstand besteht aus drei Mitgliedern. Das sind Birgit, ihr Mann und ein Pastor. Der Weltladen hat sich zwar verbessert, trägt sich finanziell aber noch nicht selbst. Darum ist es besonders wichtig, neue Kundschaft zu gewinnen. Und alle Beteiligten arbeiten dran. Das Potential ist da. Supermärkte sind kommerziell die große Konkurrenz, die absahnen, denn sie verzeichnen in Deutschland jährlich Zuwachsraten in zweistelliger Millionenhöhe für fair gehandelte Produkte. Es ist ein boomendes Geschäft. Ich denke: Schön wäre es, wenn die Kunden direkt im Weltladen kaufen würden, wo alle Beteiligten - ethisch und kommerziell - etwas davon hätten. Der Vorteil, den Supermärkte gegenüber Weltläden haben, ist, dass sie eine breitere Masse ansprechen. Auch sie sind Multiplikatoren für den Fairen Handel.

Geschenkartikel aus dem Fairen Handel (Foto ch)Was sich im Weltladen gut verkauft sind zu 60% Lebensmittel, darunter besonders der Kaffee. Die restlichen 40% stellen sich aus hochwertigen Geschenkartikeln zusammen wie Schmuck, Teebecher, Geschirrhandtücher, Schals etc. Erstaunlich, wo alles in den 70ern mit Jutetaschen und Kaffee aus Nicaragua begann. Jetzt gibt es sogar Gewürze zum angemessenem Preis (20g Oregano für 1.30 €, 40g Pfeffer für 1,80€) und Gummibärchen für Vegetarier.

Inzwischen gibt es in Deutschland an die 900 Weltläden. An die 500 davon sind unter dem Dachverband Weltläden zusammengefasst. Dafür dürfen die Weltläden als Mitglieder das Logo des Dachverbandes benutzen, zum Beispiel für ihre Schilder, und können an Mitgliedsversammlungen, Fortbildungen, Diskussionspodien und Fachmessen teilnehmen. Vor kurzem nahm Birgit an einer Veranstaltung zur Schaufensterdekoration teil und hat das Gelernte gleich erfolgreich umgesetzt. Auch sind die Strukturen demokratisch. Alle Ehrenamtlichen können sich einbringen, wenn es um Bestellungen und ähnliches geht. Oder die Fair-Handels-Organsationen. Sie reden mit den Kleinbauern in der Dritten Welt, den eigentlichen Erzeugern. Preise und Produkte sind Verhandlungssache. Sie werden nicht diktiert. Wichtiger als die Preise ist den Erzeugern, dass sie als die Ärmsten der Armen ihre Würde als Mensch bewahren, so Birgit. Viele schließen sich zu Genossenschaften zusammen und beschließen gemeinsam über die Verteilung der Gelder. So kann ganz oben auf der Liste der Bau einer Schule stehen, damit die Kinder eine bessere Chance im Leben haben als die Eltern. Oder sie schaffen eine bessere Strom- und Wasserversorgung . Es gibt auch Erfolge in der Frauenförderung und in der Minderung der Kinderarbeit.

Die Rolle der Importeure ist sehr wichtig. Der größte ist die GEPA – The Fair Trade Company. Die Importeure sind in der Lage, den benachteiligten Kleinbauern, Handwerkern und Arbeitern Projekte vorzufinanzieren. Sie beraten vor Ort, wie sie die Betreffenden unterstützen können und knüpfen mit ihnen langfristige Handelsbeziehungen.

Birgit redet vom umgekehrten Nord-/Südgefälle in der nationalen Struktur in Deutschland. „Je weiter man nach Süden kommt, desto besser laufen die Geschäfte der Weltläden“, sagt sie. So laufen die Weltläden in Bayern besser als die in Hamburg, wo es 14 Läden gibt. Österreich führe Geschäfte mit festangestelltem Personal. Europaweit gibt es um die 3000 Weltläden. Birgit hat Wünsche für die Zukunft. „Ich möchte einen größeren Laden an einem besseren Standort haben.“ Ferner  wünscht sie sich mindestens eine hauptamtliche Stelle und mehr Personal. Dann fänden mehr Menschen den Zugang zum Laden.

Bevor ich gehe, ein letzter Blick in meine Broschüre: „Alle am Fairen Handel Beteiligten kooperieren miteinander und vermeiden unfairen Wettbewerb. Sie vergrößern ihren Gewinn nicht auf Kosten anderer.“
Eines hat der Weltladen mir heute gezeigt: wie man mit wenig Veränderung hier so viel woanders erreichen kann.

Christine Hofmann

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