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20.10.2019

Bäume gegen Klimastress in der Stadt

Besuch bei der Baumschule von Ehren im Klimabaum-Hain

Am 18. Oktober 2019 gingen gegen 14 Uhr 15 Personen und ein Jagdhund auf eine Safari der besonderen Art: eine geführte Tour durch den Klimabaum-Hain in Seevetal. Dazu eingeladen hatten im Rahmen der Netzwerkreihe „HARBURG GRÜN UND FAIR“ die Baumschule Lorenz von Ehren (LvE) und das Lokale NachhaltigkeitsNetzwerk HARBURG21.

Kurz nach zwei verlassen ein Minibus und zwei PKWs den Kundenparkplatz Richtung Seevetal-Beckedorf. Das Ziel: der Klimabaum-Hain der Baumschule Lorenz von Ehren. 61 klimatolerante Baumarten, größere und kleinere Regenpfützen im Gras, frischer Wind und Sonnenschein erwarteten uns auf dem ‚Freiluft-Schauraum‘ für eine grüne Stadt der Zukunft.

„Die Stadt ist ein Extremstandort für Bäume“, beginnt Bernhard von Ehren, geschäftsführender Gesellschafter, seine Führung. „Die Bäume werden richtig gestresst: schlechte Luft- und Bodenqualität, viel Asphalt, Beton und immer mehr Hitze." Insgesamt müssen Stadtbäume vermehrt mit extremen Wetterereignissen wie Hitzewellen und längeren Trockenperioden, schweren Gewittern mit Starkregen, Stürmen, Hagel und (Spät-) Frost zurechtkommen. "Klare Anzeichen für den Klimawandel", so von Ehren, "sind etwa Bruchprobleme bei Platanen, der Minimiermotten-Befall bei Kastanien und das Eschentriebsterben.“

Was also tun? Stabile, schädlings- und klimaresistente Bäume sind aus gärtnerischer und stadtplanerischer Sicht richtungsweisend für die klimatische Anpassung in der Stadt. Gespannt schreiten wir die Baumreihen ab. Der Boden, auf dem sie stehen (jedes "Pflanzband"), ist durchweg wildpflanzenfrei. Der Grund dafür: Baumschulen dürfen keine Pflanzen verkaufen, die mit Wildpflanzen in Berührung kamen. Dafür würde – äußerst sparsam − Glyphosat eingesetzt, räumt von Ehren ein. Sobald biologische Alternativen vorlägen, und hier seien Politik, Wissenschaft und Industrie gefragt, würde von Ehren sofort mitziehen.

Von Ahorn bis Zierapfel entdeckten wir eine Mischung aus heimischen Bäumen und europäischen, asiatischen sowie nordamerikanischen Gehölzen. Über die Hälfte der 61 Arten ernähren unsere Insekten und Bienen, denn sie kommen auch mit dem ‚Fremdfutter-Angebot‘ sehr gut zurecht wie beispielsweise mit den Blüten vom klima-robusten Blasenbaum (Koelreuteria paniculata) aus Ostasien oder von der Echten Mispel (Mespilus Germanica) aus Mittel- und Südeuropa bzw. Westasien oder vom Feld-Ahorn (Acer campestre) aus Mitteleuropa.

Jede Baumart hat aufgrund ihrer speziellen Genetik ihre eigene Stadt- und Klimatauglichkeit. Zu den besonders widerstandsfähigen und hitzeresistenten Bäumen gehören neben der Echten Mehlbeere (Sorbus aria "Magnifica"), der amerikanischen Rot-Eiche (Quercus rubra), der „Eiche der Zukunft“, wie von Ehren sie nennt, dem Fächerblattbaum (Ginkgo biloba) aus China beispielsweise auch die Silberlinde (Tilia tomentosa) aus Südosteuropa und Kleinasien, die Kegel-Robinie (Robinia pseudoacacia „Bessoniana“) aus dem östlichen Nordamerika sowie die  südeuropäische und westasiatische Hopfenbuche (Ostrya carpinifolia). Einige Früchte dieses Baumes liegen zwischen den Blättern und Kastanienigeln auf dem Rasen. Sie schmecken sehr süß und erinnern an Birnen. Der Vierbeiner gräbt indes nach Mäusen.

Es kommt die Frage auf, wie die Klimatoleranz festlegt wird. „Sie beruht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen des Klimawandelprojekts „Stadtgrün 2021““, erklärt von Ehren, „Und diese sind dann die Grundlage für die Klimabaum-Empfehlungen der GALK, der Gartenamtsleiterkonferenz, und danach wiederum haben wir den Klimabaum-Hain angelegt.“ Diese Bäume hier werden nicht baumschultypisch alle vier Jahre „verschult“, also verpflanzt. Sie dürfen sich ungestört entwickeln.

Es ist zwanzig vor vier. Laut Wettervorhersage müsste es gleich anfangen zu regnen. Und richtig, kühlerer Wind fegt tiefhängende Wolken heran, und schon platschen die ersten Regentropfen auf die Schuhe. Schnell begutachten wir die letzten Klimabäume. Minibus und PKWs bringen uns trocken zurück zum Haupthaus der Baumschule.

Hier warten Kaffee und Tee auf uns und der Werbeblock mit ein paar Daten und Zahlen zum Traditionsunternehmen und Global Player von Ehren. Mit Bernhard von Ehren steht bereits die fünfte Generation an der Spitze. .Die „Produkte“ werden in Deutschland, Europa und besonders Russland viel nachgefragt. Nach einigen Einpflanz- und Bewässerungstipps entwickelt sich eine angeregte und anregende Diskussion über wirtschaftliche, politische, ökologische und soziale Aspekte einer Stadt der Zukunft: mehr ÖPNV statt Individualverkehr (Buslinienverkehrsnetz-Erweiterung, schnellere Taktung von S-Bahnen usw.), gesetzlich vorgeschriebene Dach- und Fassadenbegrünung für alle (neuen) Gebäude, nicht nur für Schulen, oder auch Mikroklimagestaltung, CO2-Speicherung und Biodiversität durch Stadtbäume – wobei deutlich wird, dass Nachpflanzungen wohl überlegt sein müssen: Junge Bäume können nicht das Potenzial alter Bäume ersetzen.

Um viertel nach fünf ging eine äußerst informative Veranstaltung mit einem kompetenten Vortrag und einem intensiven thematischen Austausch aller Beteiligten zu Ende. Mit perfektem Timing! Die Regenwolken waren weitergezogen und die Radfahrer*innen unter uns kamen trockenen Fußes nach Hause.

Text: Chris Baudy
Fotos. Gisela Baudy

Werden Sie selbst aktiv:
>> Klimaschutz im Alltag.

Vertiefen Sie das Thema beispielsweise hier:
>> Klimabaum-Hain mit Flyer-Download 
>> Infos der Gartenamtsleiterkonferenz.
>> Klimawandelprojekt Stadtgrün 2021.
>> Wissenswertes zu Bäumen.

Bitte beachten: Die Legenden der Fotos erscheinen beim Drüberfahren mit dem Cursor. Die Fotos selbst lassen sich durch Anklicken vergrößern.

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